Die Erklärung des Heiligen Messopfers
von Pater Martin von Cochem

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Katechese

Jesus Christus , das Lamm Gottes

10. Kapitel

In der hl. Messe wird die Blutvergießung Christi erneuert
 
 

   

1. Der hl. Apostel Paulus spricht davon, wie es im Alten Testamente Brauch war, mit dem Blute der Schlachtopfer das Volk zu besprengen und dadurch alles zu reinigen und zu heiligen. Seine Worte lauten folgendermaßen: "Als Moses alle Gebote des Gesetzes dem Volke vorgelesen hatte, nahm er das Blut von Stieren und Böcken mit Wasser und purpurroter Wolle und Ysop und besprengte das Buch selbst und alles Volk und sprach: Dies ist das Blut des Bundes, den Gott mit euch geschlossen hat. Auch das Zelt und alle Gefäße zum Dienste besprengte er gleichfalls mit dem Blute. Und mit Blut wird ja fast alles gereinigt nach dem Gesetze, und ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung" (Hehr. 9, 19-22). Diese Blutvergießung und Besprengung war ein Vorbild der Ausgießung des göttlichen Blutes Christi, durch welches wir viel besser von unseren Sünden gereinigt werden als die Juden von den Ihrigen. Denn also spricht der hl. Paulus daselbst: "Wenn das Blut der Böcke und Stiere und die Bestreuung mit der Kuhasche die Verunreinigten heiligt, so dass sie leiblich rein werden, wie viel mehr wird das Blut Christi, der im Heiligen Geiste sich selbst als ein unbeflecktes Opfer Gott dargebracht, unser Gewissen reinigen von toten Werken, damit wir Gott, dem Lebendigen, dienen?" (Hebr. 9, 13f.)

2. Hier möchte aber jemand vielleicht sagen: „Christus hat sein Blut bei seinem Leiden vergossen; wir waren aber damals noch nicht geboren, deswegen sind wir dieser großen Gnade beraubt worden.“ Betrübe dich nicht darüber, mein lieber Christ, denn das Hl. Blut Christi ist damals ebensowohl für uns vergossen worden, wie für die damaligen Gläubigen. Außerdem aber hat Christus noch ein anderes Mittel erfunden, kraft dessen er noch täglich sein hl. Blut vergießt und unsere Seelen damit besprengt und reinigt. Willst du wissen, wann und wo dies geschieht, so sage ich dir: in jeder hl. Messe und das will ich dir ausführlich beweisen.

3. Als ersten Zeugen führe ich St. Augustinus an, welcher sagt: "In der hl. Messe wird das Blut Christi für alle Sünder vergossen." Diese Worte sind so klar, dass sie keiner Auslegung bedürfen, und dieser Zeuge ist so zuverlässig, dass ihm niemand widerspricht. Als zweiter Zeuge diene St. Chrysostomus mit folgenden Worten: "Das Lamm Gottes wird für dich geschlachtet, das Blut fließt geistiger Weise vom Altare. Das Blut, welches im Kelche sich befindet, wird zu deiner Reinigung aus der unbefleckten Seite geschöpft." Diese Worte sind sehr denkwürdig, weil damit gesagt wird: wenn der Priester die Worte der Wandlung über den Kelch ausspricht, so schöpfe er gleichsam das rosenfarbene Blut aus der Seite Christi, welches aus dieser hl. Seite in den Kelch fließt und aus dem Kelche geistiger Weise auf die Seelen der Gegenwärtigen gesprengt wird.

4. Die Worte der Wandlung lauten also: "Dieses ist der Kelch meines Blutes usw., welches für euch und für viele wird vergossen werden zur Vergebung der Sünden." Diese Worte hat Christus gesprochen und damit den Wein in sein Blut verwandelt. Diese Worte sprechen auch alle Priester auf Befehl Christi. Sie sprechen dieselben aber nicht so, als wollten sie am Altare erzählen, was Christus über den Kelch gesprochen habe, sondern sie sprechen diese Worte auch bestätigungsweise,  nämlich das sei die Wahrheit oder das solle wahr werden, wie es ja auch wirklich geschieht, dass der Wein in das wahrhaftige Blut Christi verwandelt wird.

5. Nun aber sagt der Priester nicht allein: "Dies ist der Kelch meines Blutes," sondern er sagt auch: "welches für euch und für viele wird vergossen werden zur Vergebung der Sünden." Gleichwie nun die ersten Worte unfehlbar erfüllt werden, gerade so muss es auch mit den folgenden Worten der Fall sein. Daraus folgt also, dass das hl. Blut in der hl. Messe wahrhaft vergossen wird. "Für euch und für viele," d. i. für euch Anwesende und für viele Abwesende, nämlich für die, welche die hl. Messe lesen lassen, ferner für diejenigen, welche gerne dabei wären, wenn sie's nur könnten, aber wegen Krankheit, Gefangenschaft, wichtiger Geschäfte oder weiter Entfernung gehindert sind, in die Kirche zu kommen, und darum die hl. Messe zu Hause Gott aufopfern oder sich wenigstens darin befehlen. Auch für diese vielen wird das Blut Christi in der hl. Messe vergossen zur Vergebung der Sünden.

6. Dieser Beweis übertrifft alle anderen, denn er gründet sich auf die Wahrheit, welche aus dem Munde Gottes selbst gekommen ist. Ist das nicht ein hohes Geheimnis, eine unbegreifliche Liebe Christi gegen uns arme Sünder? Sollen wir es denn glauben dürfen, dass der göttliche Heiland, welcher sein teures Blut bis auf den letzten Tropfen vergossen hat, dasselbe aber- und abermals alle Tage und Stunden vergießen will? 0 wirklich eine große Gnade, ein großes Heil widerfährt denen, die der hl. Messe beiwohnen. Denn das Blut Christi wird für sie vergossen, u. zw. zur Vergebung ihrer Sünden. "Denn sooft das Blut Christi vergossen wird, wird es zur Vergebung der Sünden vergossen," sagt der hl. Ambrosius. Wer wollte denn nicht gerne hineilen zur hl. Messe, da er versichert ist, dass er dort Verzeihung der Sünden erlangt? Dass aber das wahre Blut Christi im Kelche sei, hat Gott auch durch viele Wunder geoffenbart und deutlich gemacht, von denen ich nur eines hier erzählen will.

7. der fromme Pater Cäsarius von Heisterbach schreibt, es sei um das Jahr 1220 im Kölnischen Erzbistum eine Klausnerin gewesen, welche sich aus der Welt zurückgezogen hatte und in einem Häuschen, das an eine Kirche angebaut war, ein beschauliches Leben führte. Diese Klausnerin verrichtete zwar viele Bußwerke, trug auch eine besondere Andacht zur Heiligen Messe, welcher sie durch ein kleines Fenster ihres Häuschens beiwohnen konnte; der böse Feind aber, welcher sie durch keine andere Anfechtung beunruhigen konnte, quälte sie mit dem Gedanken, ob wohl unter der Gestalt des Weines das wahre Blut Christi sei. Diese Versuchung war so stark, dass die schwache Jungfrau ihr nicht länger Wiederstand zu leisten vermochte, sondern in dieselbe endlich einwilligte und diesen Zweifel auch jenen Weibspersonen, die mit ihr durch ein Fensterlein zu verkehren pflegten, mitteilte. Der liebe Gott aber, der mit Seiner treuen Dienerin Mitleid hatte, wollte sie durch ein augenscheinliches Wunder aus diesen Qualen befreien. Dies tat Er auf folgende Weise: Eines Tages las ein Pfarrer aus der Nachbarschaft die Heilige Messe, und stieß aus Unachtsamkeit durch besondere Zulassung Gottes den konsekrierten Kelch um. Hierüber erschrak er sehr, noch viel mehr aber, als er sah, dass die verschüttete Gestalt des Weines in rosenfarbenes Blut verwandelt ward. Nach der Heiligen Messe suchte er durch alle Mittel die blutigen Tropfen aus dem Corporale auszuwaschen, allein alles war umsonst. Da nahm er am folgenden Sonntage das Corporale mit sich auf die Kanzel, erzählte der versammelten Gemeinde aufrichtig, was sich damit zugetragen hatte, und zeigte ihnen danach das blutige Corporale mit weinenden Augen. Niemand war, der nicht von Herzen erschrak und durch die Anschauung des wahren Blutes Christi innerlich bewegt und erschüttert wurde. Der Pfarrer sah ein, dass dieses Wunder zur Stärkung der Schwachen im Glauben geschehen sei. Nachdem er dasselbe überallhin bekannt gemacht hatte, begab er sich auch zur genannten Klausnerin. Er zeigte ihr das blutfarbige Corporale und erzählte ihr die ganze Geschichte. Sobald die Klausnerin das Heilige Blut erblickte, erschrak sie so heftig, dass sie zu Boden fiel, ihren Irrtum mit heißen Tränen beweinte und alle Anwesenden um Verzeihung bat. Sodann sprach sie mit lauter Stimme: „Ich glaube fest, dass in dem konsekrierten Kelche das wahre natürliche Blut Christi, welches für uns am Kreuze vergossen, gegenwärtig ist, und in diesem Glauben begehre ich zu leben und zu sterben.“ Danach wusch der Priester das ehrwürdige Corporale wiederum über dem Kelche aus, und sah mit Verwunderung, wie die rosenfarbenen Blutstropfen plötzlich verschwanden. Hieraus erkannte die Klausnerin, dass der liebe Gott dieses große Wunder zu ihrem Heile gewirkt habe, und wurde dadurch noch mehr im wahren Glauben bestärkt.

8. Etwas Ähnliches widerfuhr dem Pater Petrus von Cavagnelas aus dem Orden des Hl. Hieronymus, welcher lange und heftig von dem Zweifel geplagt wurde, ob auch das Heilige Blut Christi in der Heiligen Hostie sei. Als er nun eines Tages die Heilige Messe las und zu den Worten nach der Wandlung gekommen war: „Demütig flehen wir zu Dir, allmächtiger Gott, lass dieses Opfer im Angesichte Deiner göttlichen Majestät durch die Hände Deines Heiligen Engels zu Deinem erhabenen Altare hinbringen etc.“ und sich bei diesen Worten nach der Vorschrift des Messbuches tief beugte, siehe, da fiel eine so dichte Wolke auf den Altar, dass er weder den Kelch noch die Heilige Hostie sehen konnte. Hierrüber ward er mit großem Schrecken erfüllt; denn er wusste nicht, was das bedeuten sollte. Darum erweckte er herzliche Reue über seine Sünden und betete inbrünstig zu Gott. Nach langen Bitten und Weinen ward er endlich erhört und sah, wie die Heilige Hostie über der Öffnung des Kelches schwebte. Während er nun die schwebende Hostie mit andächtigen Augen anschaute, nahm er wahr, wie aus derselben tropfenweise so viel Blut floss, als er vorher Wein in den Kelch gegossen hatte. Darüber ward er hocherfreut, verlor alle seine Zweifel und glaubte fortan fest, dass auch in der Heiligen Hostie das wahre Blut Jesu Christi gegenwärtig ist.

9. Diese beiden Geschichten zeigen uns, dass der Leib und das Blut Christi unter den beiden Gestalten des Brotes und des Weines zugleich gegenwärtig sind, obgleich kraft der Wandlungsworte der Leib Christi vornehmlich unter der Gestalt der Heiligen Hostie, und Sein Blut vornehmlich unter der Gestalt des Weines im Heiligen Kelche ist. Hier mögest du noch etwas tiefer bedenken, was für eine Gnade uns widerfährt, da wir das hochheiligste Blut Christi wahrhaft in der hl. Messe bei uns haben. Es gibt kein größeres oder kostbareres Heiligtum in der ganzen katholischen Kirche, da ein einziges Tröpflein vom Blute Christi infolge seiner Vereinigung mit der göttlichen Natur mehr aufwiegt und wert ist als alle Schätze der ganzen Welt, ja auch des ganzen reichen Himmels. Dies allerteuerste Blut haben wir in der hl. Messe nicht allein gegenwärtig, sondern haben es auch zu eigen, und es gehört uns so, wie einem ein geschenktes Gut nur immer gehören kann. Denn weil Christus in der hl. Messe unser eigen ist, wie im fünften Kapitel gesagt worden, so ist auch sein hl. Blut unser eigen, und wir können es wie unser Eigentum Gott aufopfern.

  

Wie das hl. Blut in der hl. Messe ausgesprengt wird.

10. Bisher haben wir vernommen, wie das hl. Blut in allen hl. Messen vergossen wird, von der Besprengung aber haben wir bisher noch nichts weiter gesagt. Wisse also, dass, gleichwie das Allerheiligste Blut in der hl. Messe wahrhaft vergossen wird, es geradeso über alle Anwesenden geistiger Weise auch ausgesprengt und über ihre Seelen ausgegossen wird. Dafür haben wir ein klares Vorbild im Alten Testamente, wovon Paulus (Hebr. 9, siehe oben) spricht, indem er erzählt, dass Moses das vergossene Blut der Opfertiere über alles Volk ausgegossen und dabei gesagt hat: "Dies ist das Blut des Bundes, den Gott mit euch geschlossen hat." Fast ebendieselben Worte hat Christus beim letzten Abendmahl über den Kelch gesprochen: "Dies ist der Kelch, der neue Bund in meinem Blute" (Luk. 22,20). Der hl. Paulus setzt noch hinzu: "So mussten die Vorbilder der himmlischen Dinge durch dergleichen gereinigt werden; allein das Himmlische selbst erfordert vorzüglichere Opfer als jene" (Hebr. 9, 23). Damit wollte er sagen: Die jüdische Synagoge, welche ein Vorbild der katholischeren Kirche war, wurde durch Besprengung mit dem Blute von Böcken und Kälbern gereinigt, die katholische Kirche aber wird mit dem Blute des Gotteslammes gereinigt. Nun kann aber nichts mit Blut oder Wasser gereinigt werden, es werde denn damit benetzt oder besprengt. Weil denn also unsere Seelen in der Messe durch das Blut Christi gereinigt werden, so müssen sie damit auch besprengt werden. Dafür führe ich folgende Beweise an.

11. St. Chrysostomus sagt: "Wenn du bei der hl. Messe siehst, wie der Herr als Schlachtopfer daliegt, wie der Priester vor dem Opfer steht und betet, wie das dabeistehende Volk mit dem rosenfarbenen Blute besprengt wird, glaubst du dann noch unter Menschen zu weilen und dich auf Erden zu befinden?" Hier sagt also dieser vortreffliche Kirchenlehrer, dass das Blut Christi in der Heiligen Messe nicht nur für uns vergossen, sondern auch über uns ausgegossen wird. Mit ihm stimmt auch Marchantius überein, welcher sagt: „Das Kostbare Blut wird in der Heiligen Messe als ein Heiliges Opfer vergossen, und die umstehenden Gläubigen werden mit demselben Blute geistiger weise besprengt.“  Mit ebenso klaren Worten aber spricht es schon der Apostel Johannes aus, indem er sagt: "Christus hat uns geliebt und uns gewaschen von unseren Sünden mit seinem Blute" (Offbg. 1, 5). Siehe, hier sagt St. Johannes, dass Christus uns nicht allein mit seinem hl. Blute besprenge, sondern sogar uns darin wasche.

12. Ich will aber noch ein klares Zeugnis des hl. Paulus heranziehen, welcher also spricht: "Ihr seid herangetreten zu Jesus, dem Mittler des Neuen Bundes, und zur Besprengung mit seinem Blute, welches besser redet als das des Abel" (Hebr. 12, 24). Hier frage ich nun: Wann treten wir zu Jesus, zu unserem Mittler und Fürsprecher, wenn nicht bei der hl. Messe, ganz besonders, wenn wir derselben so vollständig beiwohnen, dass wir in derselben auch die hl. Kommunion empfangen? Denn in der hl. Messe übt Er das Amt eines Priesters, ja des allerhöchsten Priesters aus, und dessen Amt ist es ja, für das Volk  zu bitten. Wenn wir denn also in der hl. Messe zu Ihm als zu unserm Mittler treten, so treten wir zugleich zu der "Besprengung des Blutes", welche in der hl. Messe geschieht, freilich nicht leiblicher, sondern geistiger Weise. Das heißt: Nicht unsere Körper werden mit dem Blute Christi besprengt, sondern unsere Seelen. Bei Seinem Leiden vergoss Christus sein heiliges Blut, und es floss auf die Hände und das Gewand der Schergen, ja gar auf die Steine und die Erde. In der hl. Messe vergießt er ebendasselbe Blut, dies fließt aber nicht auf die Erde noch auf die Körper, sondern auf die Seelen der Anwesenden. Ja, gleichwie Moses das jüdische Volk mit dem Blute der Opfer und der Priester das christliche Volk mit Weihwasser besprengt, auf dieselbe Weise besprengt Christus die Seelen mit seinem Blute.

13. Diese geistige Besprengung nützt uns viel mehr als die leibliche. Das ergibt sich schon daraus, dass die Schergen samt den umstehenden Juden mit diesem göttlichen Blut an ihren Händen und Gesichtern besprengt und trotzdem nicht dadurch gereinigt oder bekehrt, sondern vielmehr verhärtet und verbittert wurden. Wenn aber der leidende Jesus damit ihre Seelen besprengt hätte, so würden sie ohne Zweifel dadurch erweicht, belehrt und gereinigt worden sein. Also würde es auch uns wenig nützen, wenn bei der hl. Messe unsere Leiber mit dem Blute Christi besprengt würden, gar viel aber nützt es uns, wenn das an unserer Seele geschieht, weil dieselbe dadurch gereinigt und geheiligt und über die Maßen schön geziert wird. Höre, was die Hl. Magdalena von Pazzi hierüber sagt: „Wenn die Seele dieses Blut empfängt, so erhält sie eine solche Würde, als ob sie mit einem kostbaren Kleide angetan würde: ja, sie glänzt und leuchtet so schön, dass, wenn du den Glanz deiner Seele, die mit diesem Blute besprengt ist, schauen könntest, du sie gleichsam anbeten würdest.“ Fürwahr denkwürdige Worte! Glückselig die Seele, welche mit solcher Schönheit geziert ist! Glückselig das Auge, das diese wunderbare Schönheit anzuschauen würdig ist! Ach lieber Leser, gehe doch oft zur Heiligen Messe, damit du in derselben mit dem Blute Christi besprengt und mit kostbaren Kleidern angetan wirst, in welchen du ewig vor allen Engeln und Heiligen glorwürdig erscheinst. Damit du aber in deinem Glauben, dass das Hochheilige Blut Christi unter der Heiligen Messe über uns ausgegossen werde, noch mehr bestärkt werdest, so will ich hierüber ein merkwürdiges Beispiel erzählen.

14.Platina schreibt im Leben des  Papstes Urban IV., dass um das Jahr 1263 in Bolsena, einer Stadt nicht weit von Rom, ein Priester gewesen sei, welcher, als er in der hl. Messe die Worte der Wandlung über die hl. Hostie ausgesprochen hatte, durch Eingebung des Teufels zu zweifeln anfing, ob denn auch die hl. Hostie der wahre Leib Christi sei. Er dachte und sprach bei sich: "Ich sehe ja nichts daran, ich fühle nichts davon. So ist es denn nicht wahr, dass es Christus sei, sondern es ist nur eine bloße Hostie." Auf solche Weise zweifelte er nicht allein, sondern leugnete sogar die Gegenwart Christi und beging eine schwere Sünde des Irrglaubens. Gleichwohl fuhr er in der Messe fort und hob die konsekrierte Hostie in die Höhe. Nun siehe und höre Wunder, was nun geschah: Die erhobene hl. Hostie fing an, von Blut zu fließen, gleichwie ein zarter Regen von den Wolken herabträufelt. Der Priester aber ward bei diesem Anblick so erschreckt, dass er nicht wusste, was er tun oder lassen sollte. Er blieb eine Welle mit der erhobenen Hostie gleichsam in Verzückung dastehen und sah, wie das rosenfarbene Blut so mild aus der hl. Hostie floss. Das anwesende Volk, welches dieses sah, wurde so bewegt, dass es anfing, laut aufzuschreien: "0 Heiliges Blut! O Göttliches Blut, wer ist Ursache Deiner Vergießung?“ Andere schrien: "0 rosenfarbenes Blut, fließe auf unsere Seelen und reinige uns von unsern Sündenmakeln! 0 kostbares Blut, verzeihe uns unsere Sünden und rufe zu Gott um Barmherzigkeit!" Der eine schlug auf seine Brust, der andere weinte heiße Tränen. Durch dieses Geschrei des Volkes kam der Priester wieder zu sich und wollte die hl. Hostie auf das Korporale niederlegen. Er sah aber, wie dasselbe mit dem hl. Blute so befeuchtet war, dass er kaum ein trockenes Plätzchen finden konnte, um seinen Gott darauf niederzulegen. Da gingen ihm die Augen auf und bereute seinen Unglauben von ganzem Herzen. Er las zwar die Heilige Messe weiter, aber mit so viel Tränen, dass er sie des Öfteren vor Weinen unterbrechen musste. Nach der Kommunion faltete er das blutbefleckte Korporale zusammen und wollte dieses große Wunderzeichen verheimlichen. Das Volk aber kam nach der Messe zu ihm, und wollte wissen, ob es wirklich wahr sei, was es gesehen hatte. Da ward der Priester genötigt, das hl. Korporale zu zeigen. Und als nun das andächtige Volk dasselbe voller Blut sah, da ward es im Herzen so gerührt, dass es auf seine Knie fiel, an seine Brust schlug, bitterlich weinte und inbrünstig die göttliche Barmherzigkeit anrief. Das Gerücht von diesem Wunder verbreitete sich weit und breit, von allen Seiten strömten zahlreiche Andächtige nach Bolsena und wollten das große Wunder sehen. Als Papst Urban IV. dies erfahren, hieß er den Priester zu sich kommen und das Corporale mitbringen. Der Priester kam in großer Angst, fiel vor dem Papste und den versammelten Kardinälen und Geistlichen nieder, bekannte seinen gehabten Zweifel, erzählte den Vorgang bei Vergießung des Heiligen Blutes und zeigte das blutgetränkte Corporale vor. Der Papst samt allen Kardinälen und Geistlichen fielen nieder auf ihre Knie und verehrten andächtig das Heilige Blut. Später ließ der Papst dem Heiligen Blute zu Ehren eine herrliche Kirche zu Bolsena erbauen, und befahl, dass das wunderbare Corporale hier aufbewahrt und alljährlich an dem Tage, an dem das Wunder geschehen, in feierlicher Prozession umhergetragen werden solle.

15. Was zu Bolsena vor mehreren hundert Jahren sichtbar geschehen, geschieht noch täglich in allen Kirchen bei allen hl. Messen wenn der Priester Gottes bei dem höchsten Dienste Gottes die hochwürdigste Hostie und den Kelch emporhebt, so fließt das rosenfarbene göttliche Blut aus beiden gleichwie ein feiner Regen aus den Wolken herab, nicht auf die Erde, auch nicht auf die Häupter der Menschen, sondern auf die Herzen, auf die Seelen und auf die Gemüter der Anwesenden, nicht allein auf die Frommen, sondern auch auf die Bösen. Die Frommen reinigt, schmückt und ziert es, es macht sie fruchtbar an guten Werken, es labt sie in ihren Schwachheiten, es lindert ihre Anfechtungen und wirkt viel Gutes bei jedem nach dessen besonderen Fähigkeiten. Die unfrommen Seelen aber sucht es fromm zu machen, die verstockten Herzen sucht es zu erweichen, die sündigen Gemüter sucht es zu bekehren, und allen Feinden Gottes bietet es die Gnade und Freundschaft Gottes an. Wenn aber der Sünder so sehr verstockt ist, dass er die Gnade Gottes nicht annehmen will, so ruft das heilige Blut dennoch für ihn zu Gott und hält die gerechte Strafe Gottes auf.

16. Siehe, wie viel Gutes dies gnadenreiche Blut sowohl bei den Unfrommen wie bei den Frommen bewirkt, wie nützlich es sowohl für die Sünder wie für die Gerechten ist, dass sie fleißig in die hl. Messe gehen. Denn diese reinigt es von ihren Sünden, wie der hl. Johannes sagt: "Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von unseren Sünden" (1. Joh. 1, 7). Die Sünder möchte es auch gern reinigen, weil sie aber nicht gereinigt sein wollen, so bereitet es sie nach und nach darauf vor. So beherzige denn, o gottliebende Seele, was für eine große Gnade dir widerfährt, indem du in einer jeden hl. Messe wahrhaftig mit dem kostbaren Blute Jesu Christi besprengt, gereinigt und geziert wirst. 0 könntest du dich selbst sehen in solcher Zierde und Schönheit, wie herzlich würdest du dich freuen, wie innig würdest du Gott danken, wie eifrig würdest du zur hl. Messe eilen und wie andächtig ihr beiwohnen! Wenn du auf dem Kalvarienberge unter dem Kreuze gestanden hättest und mit einem Blutströpflein Christi wärest besprengt worden, solltest du das nicht für eine große Gnade schätzen? Nun aber ist es ganz gewiss: wenn du der hl. Messe beiwohnst, so stehest du geistiger Weise wahrhaftig unter oder bei dem Kreuze und wirst geistiger Weise, an deiner Seele mit dem Blute Christi besprengt. Wenn du nun bei der Messe ebenso große Andacht hättest, wie du unter dem hl. Kreuze erweckt haben würdest, so würde dir die Besprengung des hl. Blutes ebenso nützen, wie die auf dem Kalvarienberge dir genützt hätte.

   

 

Wie das Heilige Blut für uns um Gnade ruft.

17. Unter allen Gnaden und Wohltaten, welche wir bei der hl. Messe empfangen, ist eine der hauptsächlichsten, dass das göttliche Blut Christi, wenn es auf dem Altare vergossen wird, für uns zum Himmel ruft und Barmherzigkeit von Gott erbittet. 0 wie nützlich und heilsam ist dieses Rufen für die Sünder! Wie mächtig hält es die schweren Strafen Gottes von ihnen ab! Alle schweren Sünden, die wir begehen, schreien ja zu Gott um Rache und fordern seinen Zorn wider uns heraus, wie wir aus der hl. Schrift klar erkennen. Denn (Gen. 18, 20) heißt es: "Das Geschrei von Sodom und Gomorrha hat sich gemehrt und ihre Sünde ist sehr schwer geworden." Aus diesen Worten entnehmen wir, dass die schweren Sünden zu Gott um Rache rufen. Imgleichen sagt St. Jakobus (5,4): "Siehe, der Lohn der Arbeiter, welcher von euch vorenthalten worden, schreiet, und ihr Geschrei ist zu den Ohren des Herrn der Heerscharen gekommen." Beim Propheten Isaias nennt Gott alle Sünden ein Geschrei, denn es heißt dort: "Ich hoffte, dass sie Recht täten und siehe, da war Unrecht; dass sie Gerechtigkeit übten, und siehe, da war Geschrei" (Is. 5, 7). Hieraus merken wir, welch ungeheures Geschrei aller Sünden unaufhörlich zu Gott emporsteigt und seinen gerechten Zorn gegen die Welt herausfordert.

18. Wer ist es nun, der diesen unendlichen Zorn Gottes besänftigt und die furchtbare Rache abwendet? Nichts im Himmel und auf Erden ist dazu tauglicher als die Stimme des kostbaren Blutes Jesu Christi. Denn wenn auch das Geschrei der vielen Sünden so ungeheuer ist, dass es bis in den hohen Himmel emporschallt, so ist doch die Stimme des vergossenen Blutes Christi viel mächtiger, weil sie allmächtig und unendlich ist und nicht allein die Luft, sondern davon den ganzen Himmel weit und breit anfüllt und das Herz unseres Gottes durchdringt. Wiewohl das ungeheure und abscheuliche Geschrei der vielen grausigen Laster und Ungerechtigkeiten sein Herz gewaltig erzürnt, so ist doch die Lieblichkeit der Stimme des vergossenen Blutes Christi so unendlich groß und schön, dass es allen Verdruss und Widerwillen aus dem Herzen Gottes vertreibt und dasselbe mehr besänftigt, als es von dem Geschrei der Sünden erzürnt worden ist.

19. Du möchtest aber fragen: Wie kann denn dieses hl. Blut zum Himmel schreien? Ich frage hinwieder: Wie konnte das vergossene Blut Abels zum Himmel schreien? Dennoch sagt Gott zu Kain: "Die Stimme von deines Bruders Blut schreit zu mir von der Erde" (Gen. 4,10). So war denn diese Stimme nicht eine leibliche, sondern geistig, aber so mächtig, dass sie von der Erde bis zum Himmel hinaufstieg, das Herz des Vaters durchdrang und ihn zur Rache für diesen Brudermord aufrief. Ebenso ist auch die Stimme des vergossenen Blutes Christi in der hl. Messe geistig, aber so mächtig, dass sie den erzürnten Gott zur Barmherzigkeit zwingt. Dass nun dieses kostbare Blut Christi bei der hl. Messe zu Gott ruft, will der hl. Paulus sagen in den Worten: "Ihr seid herangetreten zu Jesus, dem Mittler des neuen Bundes, und zur Besprengung des Blutes, welches besser ruft als das des Abel" (Hebr. 12, 24). Sein Blut rief nicht, als es noch seinem heiligen Leibe angehörte, aber als es bei seinem bitteren Leiden schmerzlich und unschuldig vergossen wurde, schrie es mit allmächtiger Stimme um Barmherzigkeit für die Sünder.

20. Auch wenn dies kostbare Blut in der hl. Messe vergossen wird, schreit es mit gewaltiger, durchdringender Stimme zu Gott dem Allmächtigen, auf folgende Weise: "Siehe doch und erwäge, o gerechter Gott, wie ich, das allerkostbarste Blut deines eingeborenen Sohnes, so schmählich, so schmerzlich, so reichlich bin vergossen worden. Siehe und beherzige, wie gewaltig und wie grausam ich verunehrt, verflucht und mit Füssen getreten bin. Dies alles habe ich mit höchster Geduld gelitten deswegen, damit die Sünder durch mich sollten gereinigt und selig gemacht werden. Du aber, o strenger Gott, willst sie wegen ihrer Sünden verdammen und in den Abgrund der Hölle stürzen. Wer vergilt mir denn die Schmach, die ich ertragen? Wer bezahlt mir dann meine Beleidigungen? Die Sünder in der Hölle werden es gewiss nicht tun, sondern werden mich mit teuflischem Hass verfluchen. Wenn sie aber durch mich selig würden, so würden sie mich ewig preisen und mir allen möglichen Dank erweisen. Höre deswegen, o barmherziger Gott, mein gerechtes Geschrei, und meinetwegen verleihe den Sündern die Gnade der Bekehrung und Besserung ihres Lebens. Den Gerechten Verleihe um meinetwillen Vermehrung der Gnaden und Standhaftigkeit in allem Guten.“

21. Wenn nun das heilige Blut Christi in dieser Weise zu Gott ruft, sollte es dann möglich sein, dass Gott ein solches Rufen ausschlagen würde? Denn wenn das unschuldig vergossene Blut Abels mit einer so mächtigen Stimme von der Erde zum Himmel rief, dass es Gott selbst zur Rache wider den Brudermord gezwungen hat, wie Gott ja selbst bekennt: "Die Stimme von deines Bruders Blut schreit zu mir von der Erde, deswegen sollst du verflucht sein auf der Erde, die ihren Mund aufgetan und deines Bruders Blut von deiner Hand empfangen hat“ (Gen. 4,10f.) - wenn also das Blut Abels so viel vermochte, was wird dann nicht das allerunschuldigst vergossene Blut Christi vermögen, wenn es täglich bei der hl. Messe wiederum vergossen und Gott aufgeopfert wird? St. Paulus spricht: "Ihr seid hinzugetreten zu der Blutvergießung, welche besser schreit als das Blut Abels." Denn dieses schrie um Rache, das Blut Christi aber schreit um Barmherzigkeit. Nun aber ist Gott mehr geneigt zur Barmherzigkeit als zur Rache, wie die Kirche in einem Gebete sagt: "0 Gott, dem es eigen ist, sich allzeit zu erbarmen und zu verschonen." Und St. Petrus sagt: "Der Herr hat Geduld (mit den Sündern) und will nicht, dass jemand verloren gehe, sondern dass alle sich zur Buße wenden" (2 Petr. 3. 9). So wird ja das Blut Christi viel leichter Barmherzigkeit erlangen, als das Blut Abels Rache erzwungen hat.

22. Dies göttliche Blut hat bei der Beschneidung, am Ölberge, bei der Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung zu Gott um Versöhnung der Welt geschrien und hat das erhalten: "Christus hat die Welt mit Gott versöhnt" (vgl. 2. Kor. 5,18). Ebendasselbe heilige Blut schreit auch bei der hl. Messe, nicht nur mit einer Stimme, sondern mit so vielen Stimmen, wie Blutstropfen vergossen worden sind. Es ruft mit durchdringender, allmächtiger Stimme, es ruft aus aller seiner menschlichen und göttlichen Kraft; es ruft nicht allein in einer, sondern in viel tausend täglichen Messen. Und es ruft nicht allein, sondern mit ihm rufen auch die Wunden Christi mit so vielen Worten, als Wunden am Leibe Christi waren. Es ruft mit ihm auch das Herz Christi mit so vielen Bitten, als Bewegungen in diesem Herzen waren. Und endlich ruft auch der Mund Christi mit so vielen Bitten, als Seufzer ihm entflohen sind. Wie sollte es nun möglich sein, dass dieses fünffache, mächtige Geschrei - aus dem Blute Christi, aus dem Herzen Christi, aus dem Munde Christi, aus den Wunden Christi, aus der Seele Christi das Herz des himmlischen Vaters, und wenn es schon von Stahl und Diamant wäre, nicht durchdringen sollte! Das kostbare Blut Christi ist von einer solchen Kraft, dass ihm alles, was im Himmel und auf Erden ist, weichen muss, und dass ihm selbst die göttliche Gerechtigkeit keine billige Bitte versagen kann.

23. Hier muss ich die Geschichte vom wunderbaren Korporale zu Walldürn erzählen, obwohl es in unserem Vaterlande genug bekannt ist und in der Fronleichsnamsoktav fleißig von Pilgern besucht wird. Im Odenwalde, früher Erzbistum Mainz, liegt ein Städtlein, Walldürn genannt, wo im Jahre 1330 der Pfarrer des Ortes, Otto, bei der hl. Messe nach der Konsekration den Kelch aus Unachtsamkeit umgestoßen hat, so dass das hl. Blut auf das Korporale floss. Aber siehe, alsbald sah er in der Mitte des Korporales Christus am Kreuze hangend und zu beiden Seiten von diesem Kruzifix elfmal das dornengekrönte und mit Blut überronnene Haupt Christi, so natürlich und kunstvoll, dass kein Maler dergleichen mit Farben hatte darstellen können. Darüber erschrak der Pfarrer so sehr, dass er erzitterte und große Strafe von Gott und von seiner Obrigkeit befürchtete. Als die Messe aus und alles Volk gegangen war, brach er einen Stein aus dem Altar, steckte das Korporale hinein und verschloss das Loch, so gut er konnte. Gleichwohl fand er keine Ruhe mehr in seinem Gewissen und nahm sich die Sache so zu Herzen, dass er darüber in eine tödliche Krankheit viel. Da er nun den Tod herankommen fühlte, ließ er einen benachbarten Pfarrer rufen und erzählte ihm, wohin er das blutige Korporale versteckt habe. Nach dessen Tode suchte dieser Pfarrer dasselbe und zeigte es dem Volke, wobei er erzählte, was geschehen war. Zur Bestätigung des Wunders brachte er das Korporale der geistlichen Obrigkeit und auf deren Befehl nach Rom zu dem damaligen Papst Urban V., der das Wunder bestätigte und allen Wallfahrern einen Ablass verlieh.

24. Hier entsteht nun die Frage, warum Gott gewollt, dass das verschüttete Blut in Gestalt eines Kruzifixes und elfmal das Haupt Christi erscheinen sollte. Unter anderem meine ich, um anzuzeigen, dass das vergossene Blut Christi um Barmherzigkeit zu Gott rufe, da dieses durch nichts klarer dargestellt werden konnte, als, indem so oft das Haupt mit dem Munde erschien. Vielleicht waren aus dem Kelch elf Tropfen auf das Korporale gefallen. Da riefen diese zu Gott nicht um Rache und Strafe, sondern um Gnade und Barmherzigkeit, sowohl für den Pfarrer wie für das Volk, welches dieses hl. Blut besuchen und verehren würde, wir erfahren es ja noch zu jetziger Zeit, dass die größten Sünder, welche ihre Sünden viele Jahre nicht mehr gebeichtet haben, allda vor dem hl. Blute zu wahrer Reue und aufrichtiger Beichte gelangen. Man kann zwar jetzt die hl. Häupter nicht eben klar mehr sehen, aber wenn man nahe bei dem noch ganz unverwesten Korporale steht, so sieht man an deren Stellen noch deutliche Flecken.

25. Neben dem allmächtige Rufen des göttlichen Blutes Christi ist sodann auch zu beachten, dass dasselbe noch eine andere Eigenschaft hat, welche den erzürnten Gott versöhnt, nämlich den allersüßesten Wohlgeruch, welcher aus dem auf dem Altare vergossenen Blute aufsteigt. Von den jüdischen Brandopfern sprach Gott: „Das tägliche Brandopfer sollt ihr immer opfern zur Speise des Feuers und zum übersüßen Geruche dem Herrn, der da aufsteigt vom Brandopfer und jeglichem Trankopfer.“ (4.Mos. 28,23.24) Wenn nun schon der Geruch, welcher dem verbrannten Fleisch und dem vergossenen Blute der Tiere entstieg, dem allmächtigen Gott zum lieblichen Wohlgeruche ward, was wird dann erst der süßeste Geruch des rosenfarbenen Blutes Christi vermögen, welches dem glorwürdigsten Gott als ein würdiges Brandopfer auf dem Altare aufgeopfert wird.

26. Wenn der Priester den Kelch opfert, so spricht er: "Wir opfern Dir auf, o Herr, den Kelch des Heiles, und flehen zu Deiner Güte, dass er vor dem Angesichte Deiner göttlichen Majestät für unser und der ganzen Welt Heil und Segen mit dem Geruch der Lieblichkeit emporsteige." Mit diesen Worten opfert er den Kelch, weil der Wein, der darin ist, in das Blut Christi verwandelt werden wird. Der hl. Paulus sagt: "Christus hat uns geliebt und sich für uns alle als Schlachtopfer hingegeben, Gott zum lieblichen Geruche" (Eph. 5, 2). Als dies kostbare Schlachtopfer am Kreuze dargebracht und sein Blut so schmerzlich vergossen wurde, da stieg ein so lieblicher Geruch zum Himmel hinauf, dass dadurch der schlimme Geruch, der von den schändlichen Götzenopfern und von den Sünden der Menschen aufgestiegen war, ganz vertilgt und vertrieben wurde. Denn Gott hatte größeres Wohlgefallen an dem Gehorsam Christi, als er an den Sünden der Menschen Missfallen gehabt hatte. Deswegen sollst auch du bei der hl. Messe das Blut Christi Gott aufopfern, damit es ihm zum angenehmen Duft emporsteige und alles wegnehme, was du durch deine Sünden garstig und hässlich gemacht hattest.

27. Als der erblindete Patriarch Isaak seinen Sohn Jakob, der mit den Kleidern des Esau angetan war, küssen wollte, da sagte die hl. Schrift: "Da Isaak den Duft seiner Kleider roch, segnete er ihn also bald" (Gen. 27, 27) und wünschte ihm alle Wohlfahrt an allen zeitlichen Gütern. Ebenso bewirkt der angenehme Geruch des Blutes Christi so viel, dass der liebe Gott einem frommen Menschen, der ihm dasselbe bei der hl. Messe aufopfert, ganz gewogen wird und ihm seinen göttlichen Segen samt besonderer Vermehrung seiner Gnade und himmlischer Güter mitteilt. Auch alle Heiligen erfreuen sich daran, weil der Duft dieses heiligen Opfers gleichsam den ganzen Himmel durchweht und alle seine Bewohner herzlich erquickt und erfreut. Unterlasse es also nie, bei der hl. Messe das kostbarste Blut andächtig anzubeten, herzlich anzurufen und nachdrücklich aufzuopfern.

 

  

    
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